Auf dem Trajansforum in Rom erhebt sich die Trajanssäule in der Mitte zwischen zwei Bibliotheken. Sie stellt das einzige auch heute noch nahezu unbeschädigte Monument der Platzanlage dar. Im Mai 113 n. Chr., also ein Jahr nach der Einweihung des Forums, wurde sie geweiht, und zwar als Ehrensäule nach dem Sieg über die Daker, ein Volk, das im heutigen Rumänien ansässig war.
Die Höhe des Denkmals mitsamt des Sockels beträgt ca. 40 m. Der Inschrift zufolge entspricht dies der Höhe des Bergsattels zwischen Kapitol und Quirinal, der eigens für die Errichtung der Forumsanlage abgetragen werden mußte.
Der würfelförmige Sockel der Säule ist auf allen vier Seiten mit Reliefs dakischer Waffen versehen. Eine Tür führt ins Innere des Sockels, wo sich das Grab Trajans befand. Von hier aus windet sich eine Wendeltreppe bis zur Spitze der Säule empor. Dort befand sich einstmals, wie Münzbilder bezeugen, ein Standbild des Kaisers, das aber im Mittelalter durch Papst Sixtus V. entfernt und durch die Statue des Hl. Petrus ersetzt wurde.
Um den Säulenschaft zieht sich spiralförmig das ca. 200 m lange Reliefband herum, das aus nicht weniger als 155 verschiedenen Szenen besteht, die jeweils durch Bäume, Bauwerke etc. gegliedert sind. Die Reliefs berichten do-kumentarisch von den beiden Dakerkriegen des Kaisers Trajan, deren erster in die Jahre 101-102 n. Chr. fällt und deren zweiter 105 n. Chr. stattfand. Die Kriegsgeschehnisse sind in chronologischer Reihenfolge festgehalten, wobei die Berichte über die beiden Feldzüge durch eine auf einen Schild schreibende Victoria voneinander getrennt sind.
Die Handlung beginnt am Fuße der Säule mit der Überquerung der Donau auf einer Schiffsbrücke und endet oben mit der Verschleppung der Daker. Dazwischen erfolgt die Schilderung der beiden Kriege in all ihren Phasen. Man bediente sich hierbei bestimmter stereotyper Handlungschemata wie z.B. Aufbruch des Heeres, Opfer, Ansprache des Kaisers an die Soldaten, Lager- und Festungsbau, Kampfgeschehen, Belagerungen, Hinrichtungen, Unterwerfung von Barbaren etc. Trajan selbst erscheint allein 60 mal auf den Säulenreliefs. Meist ist er bei der Beratung mit seinen Feldherren dargestellt. Aber auch bei der Ansprache an seine Truppen oder bei der Unterwerfung von Barbaren ist er häufig zu sehen. Nie ist er am direkten Kampfgeschehen beteiligt, sondern immer in einer repräsentativen Pose hervorgehoben.
Die Darstellung von Barbaren auf den Säulenreliefs zeigt, welches Fremdenbild die Römer hatten: Zu den Barbaren zählten all jene Völker, die nicht innerhalb der Grenzen des Imperium Romanum lebten. Sie wurden stets als Inbegriff des Bösen dargestellt: Wildheit, Niedertracht, Grausamkeit und Feigheit sind ihre Kennzeichen, z.B. wird die Verwilderung der Männer durch eine rohe Gesichtsbildung und ungepflegte Bärte offenbar.
Dabei fällt auf, daß der Barbarenfeind hier als Masse gesehen ist, denn nie werden in der bildlichen Darstellung Tracht, Bewaffnung oder Physiognomie der verschiedenen Völker genau differenziert. So verwundert es kaum, daß der Fremde nicht als gleichwertiger Mensch behandelt wird. Die von den Römern gegen die fremden Völker geübte Grausamkeit (auch gegen wehrlose Frauen und Kinder) ist also aus römischer Sicht durchaus berechtigt. Die Barbaren gefährden schließlich die römische Grundordnung, und da diese durch den Sieg der Römer über Barbaren wiederhergestellt wird, gleicht die Vernichtung der Feinde einem religiösen Ritual: Mit seinem Triumph stellt der Kaiser die Grundordnung wieder her und legitimiert zugleich seinen eigenen Herrschaftsanspruch.
Die Darstellungen des römischen Heeres sind sehr detailliert und realistisch, Waffen und Ausrüstung der Soldaten sind genau wiedergegeben. Bei den Hilfstruppen kann man verschiedene Trachtelemente und unterschiedliche Bewaffnung erkennen. Sie, die nun als einstige Barbaren für die römische Ordnung kämpfen, werden im Reichsverband zu würdigen Menschen, und ihre Wildheit wird mit diesem Moment zur Tugend.
Der gleiche Realismus ist bei der Angabe natürlicher Gegebenheiten (Bäume, Felsen, Fluß etc.) angestrebt: Die Schwierigkeiten, die das römische Heer bei der Überwindung der Natur erfolgreich zu meistern versteht, sollen unmittelbar vor Augen gestellt werden. Hinzu kam ursprünglich die farbige Ge-staltung der Reliefs, von der heute leider nichts mehr zu sehen ist. Trotz der präzisen Wiedergabe jener Kriegsereignisse waren für den Betrachter lediglich die ersten Windungen des Reliefbandes ablesbar, denn die enorme Höhe der Säule ließ die kleinteiligen Darstellungen in den höheren Regionen nicht im Detail erkennen.
Der Standort der Trajanssäule zwischen den beiden Bibliotheken des Forum Traiani hat zu folgender Deutung des Monumentes beigetragen: Die Abfolge der Reliefs gemahnt an eine aufgeschlagene Buchrolle, und die chronologische Ordnung der Szenen erinnert an einen literarischen Bericht. Man hat deshalb die Vermutung geäußert, es handle sich bei den Reliefdarstellungen der Trajanssäule um eine bildliche Umsetzung der commentarii Traiani, dem Kriegsbericht Trajans, von dem nur eine einzige Zeile auf uns gekommen ist.
Von jenen Säulenreliefs sind folgende in unserer Abgußsammlung vertreten:
Abguß Inv. 388
Unterwerfung der Daker: Ein Zug von Frauen, Kindern und Greisen nähert sich Trajan. Es folgt eine Festungsbauszene. Trajan befindet sich rechts unterhalb der Festung (nicht mehr auf Abguß).
Abguß Inv. 785 a-b
Hier findet die Übergabe abgeschlagener Dakerköpfe an den Kaiser statt. Im Anschluß daran, rechts, Legionäre, die bereit sind in die Schlacht einzutreten (Die Schlacht würde sich rechts an die Platte anschließen, ist aber nicht mehr auf Abguß vorhanden).
Abguß Inv. 785 c
Der auf einem gemauerten Podest stehende Trajan hält eine Ansprache an seine Soldaten.
C. Cichorius, Die Reliefs d. Trajanssäule (1896);
F. Coarelli, Rom (1975) 116 f. 118-127 (Umzeichnungen der Reliefs);
W. Gauer, Untersuchungen zur Trajanssäule (1977);
S. Settis u. a., La Colonna Traiana (1988);
P. Zanker, AA 1970, 524-537;
P. Zanker, Barbarenbilder in der griechischen und römischen Kunst, in: Der Umgang mit dem Fremden. Symposium vom 12. -14. 6. 1992 in Titisee
(1992) 47-52.