Die Porträtstatue des Menander stellt ein gutes Beispiel für die Erprobung archäologischer Forschungsergebnisse mit Hilfe der Abgießtechnik dar. Daher soll die Rekonstruktion des Monuments ausführlicher besprochen werden:
Den hohen Bekanntheitsgrad des Dichters Menander während der römischen Antike zeigt die große Zahl von ungefähr siebzig überlieferten Kopien des Porträtkopfes, die vom 1. Jh. vor. Chr. bis zum 3./4. oder 5. Jh. nach Chr. entstanden und aus dem gesamten römischen Reich stammen. Durch Vergleiche mit inschriftlich benannten Stücken und einem Mosaikporträt konnten diese Kopien inzwischen sicher als Köpfe Menanders identifiziert werden.
Unter den erhaltenen Kopien von Bildnissen griechischer Politiker, Dichter und Philosophen sind vollständige Statuen äußert selten. In der Regel haben die römischen Auftraggeber meist für die Ausstattung ihrer Villen und Gärten nur eine Büste oder eine Herme anfertigen lassen. Bei der großen Zahl von Kopien des Kopfes war es in diesem Fall aber sehr wahrscheinlich, dass sich auch einige Statuen des Menander erhalten haben. Sucht man nun die zu einem bestimmten Porträtkopf passende Statue, muss diese im Brustbereich die gleiche Drapierung
des Gewandes aufweisen wie der Brustausschnitt der Büsten. Außerdem müssen die Büste und die Statue in der gleichen Größe vorhanden sein. Die Zusammengehörigkeit der Porträtköpfe Menanders mit einer bestimmten Gewandstatue (genannt Typus Neapel – Capitol), die inzwischen in sieben Repliken vorliegt, wurde bereits in den 1930er Jahren entdeckt.
Für die Rekonstruktion wurden ein Torso im Museo Nazionale in Neapel und eine Büste mit einem großen Brust-ausschnitt im Seminario Patriarcale in Venedig – beide in Originalgröße – ausgewählt. Die Büste bot den Vorteil, das sie bereits zum Einsetzen in eine Statue zugerichtet ist. Das bedeutet, dass die Gewandpartien an den Seiten überstehend gearbeitet wurden und der Mantel am unteren Rand der Vorderseite -gepickt ist, um die Büste besser mit der Statue verbinden zu können. Um die Neuentdeckung zu erhärten, wurden Fotomontagen angefertigt, die jedoch nichts über die Größenverhältnisse und die tatsächliche Position des Kopfes auf der Statue aussagen können (siehe Abb.).
Um den tatsächlichen Beweis zu erbringen, wurden durch die Abgusssammlung Göttingen von dem Porträtkopf und der Statue Gipsabgüsse angefertigt und beide miteinander verbunden. Das gleiche Experiment wurde auch in der Münchner Abgusssammlung durchgeführt. Dazu musste in den Torso aus Neapel eine entsprechend große Öffnung geschnitten werden, um die Büste einsetzen zu können. Sie passen genau zusammen, wie an dem fast bruchlosen Verlauf der Falten von Chiton und Mantel von der Büste zur Statue gut zu erkennen ist. Die Abbildung zeigt das Einsetzen der Büste in München, bevor die Fugen geschlossen wurden.
Es wird deutlich, wie präzise die antiken Kopisten gearbeitet hatten, denn beide Teile sind von unterschiedlichen Bildhauern zu verschiedenen Zeiten geschaffen worden und haben nie zusammengehört. Im Gegensatz zu der Fotomontage musste der Kopf beim Zusammenfügen deutlich nach vorne geneigt werden, was der Statue ein nachdenklicheres Aussehen verleiht, was mit den eher melancholischen Gesichtszügen des Dichters ein stimmiges Bild ergibt. Als Vorbild für den Klismos und dessen Beine diente der Stuhl der Sitzstatue des Philosophen Poseidipp
(s. Abguss Th 161), der sowohl an der Vorder- als auch an der Rückseite nach vorne bzw. nach hinten gebogene Beine aufweist.
Nun musste die wiedererlangte Statue mit der Basis aus dem Athener Dionysostheater verbunden werden. Sie wurde in Göttingen mit einem hohen Basisblock (Plinthe), einem darauf aufgesetzten, separat gearbeiteten Profil (Kyma) und am oberen Abschluss mit einer fast ebenso hohen und breiten Deckplatte ergänzt (siehe Abb.).
Als Orientierung diente eine aus mehreren Bauteilen zusammengesetzte Basis einer Reiterstatue aus Olympia aus dem späten 4. Jh. vor Chr. Nach neueren Forschungsergebnissen wird die Basis etwas anders rekonstruiert: es handelt sich offensichtlich um eine aus einem Stück gearbeitete sog. Blockbasis ohne separat gearbeitetes Kyma und ohne hohe Deckplatte.
Dem entspricht die Rekonstruktion der Basis in München, die nun eine deutlich niedrigere und schmälere Deckpatte aufweist. Sie kann damit aus Gewichtsgründen keine Marmorstatue getragen haben, womit bewiesen werden konnte, dass es sich um ein Original aus Bronze gehandelt haben muss. Deshalb wurde der stützende Block unter der Sitzfläche des Stuhles entfernt, den auch das griechische Original nicht benötigte. Die kleinere Deckplatte, über die die gebogenen Stuhlbeine weit auskragen würden, führte weiterhin zu der Überlegung, dass die rückwärtigen Beine wohl gerade zu ergänzen sind, wofür sich zahlreiche antike Vergleichsbeispiele finden lassen. Dies erscheint auch aus statischen Gründen sinnvoller. Eine weiter verbesserte Rekonstruktion nach diesen Überlegungen wird gegenwärtig von Archäologen in Athen erstellt.
Die in München rekonstruierte Basis besteht aus einem mit MDF-Platten verkleideten Metallgerüst auf Rädern. Auf die Platten wurde Rupfen aufgeleimt und dieser mit Stuckgips verputzt, um die rauhe und verwittere Oberflächenstruktur der Basis zu imitieren. Für die Inschrift MENANDROS wurde ein Abklatsch vom Original genommen, für das Positiv die entsprechende Aussparung ausgesägt und dieses dann eingesetzt. Die Künstlernamen weiter unten sind mittlerweile so verwittert, dass der duplizierte Abklatsch mit Kohle abgerieben wurde, um einen ungefähren Eindruck zu erhalten. Danach konnte die Inschrift in den Stuck geritzt werden.
Bei beiden Rekonstruktionen ergibt sich ein beeindruckendes Monument, das in seiner Gesamtheit mindestens drei Meter hoch war.
Im Jahre 2002 rekonstruiert von
Prof. Dr. Klaus Fittschen, Deutsches Archäologisches Institut, Athen
Edwin Funk, Restaurator der Abgußsammlung der Universität Göttingen
Thomas Ginzel, Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke
Burkard Grünefeld, Heilmaier GmbH Messedesign München
Olaf Herzog, Restaurator der Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München
Dr. Ingeborg Kader, Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke
Christan Kiermeier, CK Messe montage GmbH
Alfons Neubauer, Restaurator der Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München
Dr. Hermann Scharpf, Freischaffender Restaurator
Die Rekonstruktion wurde gesponsort von Kultur³ und Heilmaier GmbH Messedesign. Die Ausführung erfolgte durch Heilmaier GmbH Messedesign.
F. Studniczka, Neue Jahrbücher für das Klassische Altertum 21, 1918, 1 ff. (Identifikation des Porträts);
J. F. Crome, Atti e Memorie dell’Accademia Virgiliana di Mantova 33, 1962, 43 ff. (Rekonstruktion mit Fotomontage);
K. Fittschen, AM 106, 1991, S. 243 ff. (Rekonstruktion in Göttingen).