Der Altar steht heute am Eingang zum Grabungsgelände des Dionysostheaters in Athen, wenig unterhalb der sogenannten Dorischen Stoa. Seine Höhe beträgt 1,23 m, der Durchmesser 1,15 m. Er besteht aus pentelischem Marmor. An den Profilen und den angrenzenden Bereichen sind größere Bestoßungen und Fehlstellen zu beobachten. Ansonsten ist die ursprüngliche Marmoroberfläche gut erhalten. Unterhalb des oberen Profils, im Bereich einer der Lünetten, befindet sich eine vierzeilige Inschrift (IG II ed.min. 2949). Unverzierte Basis- und Deckplatten sind zu ergänzen. Das gesamte Monument wird also ursprünglich etwas höher gewesen sein.
Das Basisprofil besteht aus einer Abfolge von Astragal, lesbischem Kyma, unverzierter Leiste rechteckigen Querschnitts und doppeltem Flechtband, das obere Profil aus zwei Leisten runden Querschnitts, Eierstab und Astragal.
Der Schaft ist mit einer breiten, schlauchförmigen Girlande verziert, die über vier Silensmasken geführt wird. In den Lünetten befinden sich große Doppel-rosetten.
Die Girlande setzt sich zum überwiegenden Teil aus den Blättern des mediterranen Herzblattefeus und Weinblättern sowie den zugehörigen Korymben und Trauben zusammen. Wenige große Früchte und an den Rändern gezackte Blätter beleben das ansonsten sehr einheitliche Bild. Aus dem Kontur der Girlande stoßen dünne, kleinblättrige Efeu- und Weinzweige hervor. Sie liegen flach auf dem Grund. Im Bereich der Masken ist die Girlande von breiten Tänien umwunden, deren Enden beiderseits der Silensköpfe herabhängen.
Diese Silensköpfe sind sehr unterschiedlich gestaltet. Zwei der Masken zeigen kahlköpfige Silene mit ausgeprägten Pferdeohren sowie stark betonter unruhiger Brauenpartie, sehr weit aufgerissenem Mund und in Wellen herabfallendem Bart. Die beiden anderen Silensmasken zeichnen sich hingegen durch die aus der Stirn gestrichenen, über der Stirnmitte aufgeworfenen Haare, eine weniger wulstige, schönlinigere Brauenpartie, einen nicht so stark geöffneten Mund und sehr feinsträhnige, symmetrisch geordnete Barthaare aus.
Die knapp unterhalb des oberen Profils eingemeißelte Inschrift (IG II ed.min. 2949) lautet:
ΠΙΣΟΚΡΑΣΗ ΚΑΙ ΑΠΟΛΛΟΩΡΟ
ΑΣΤΡΟΤ ΑΤΡΙΔΔΙ ΠΟΜΠΟΣΟΛΗΑΝΣΕ
ΚΑΙ ΑΡΧΟΝΣΕ ΓΕΝΟΜΕΝΟΙ ΣΟΤ ΓΕΝΟΤ
ΣΟΤ ΒΑΚΧΙΑΔΩΝ ... ΑΝΕΘΗΚΑΝ
Sie weist den Altar als Weihung des Pistokrates und des Apollodoros, der Söhne des Satyros von Auridai, aus. Für die Datierung des Monuments sind diese Namensangaben wichtig, weil sich wohl alle drei genannten Personen prosopo-graphisch einordnen lassen; d.h., sie sind auch in anderen historischen Quellen nachweisbar. Satyros, der Vater der beiden Stifter, könnte mit einem Mann identisch sein, der unter dem Archonten Hermogenes im Jahre 180 v. Chr. Geldbeträge zu einem nicht weiter beschriebenen Zweck beitrug (CIA II 983 I Z 78). Der ältere der beiden Weihenden, Apollodoros, war 138/37, der jüngere, Pistokrates, 128/27 v. Chr. am Knabenchor in Delphi beteiligt, wo sie in den Pythaistenlisten geführt wurden. Als sie den in der Inschrift genannten Festzug leiteten, werden beide wohl erwachsene Männer gewesen sein. Eine Datierung des Altars in die letzten beiden Jahrzehnte des 2. Jh.v.Chr. ist damit sehr wahrscheinlich.
Dieser zeitliche Ansatz wird auch durch den an der Ornamentik und den Silensköpfen zu ermittelnden stilistischen Befund bestätigt. Die schlauchförmige, in ihren Einzelkompartimenten sehr differenzierte Girlande, aus deren Kontur flach auf dem Grund ornamentale Zweige ausbrechen, die breiten, umsäumten Tänien und der Wechsel zwischen stark bewegten „barocken“ und schönlinig-beruhigten „klassizistischen“ Masken deuten auf eine späthellenistische Datierung des Altars hin.
Konkrete Anhaltspunkte zur ursprünglichen Aufstellung des Monuments sind nicht vorhanden. Der Girlanden- und Maskenschmuck verweist jedoch eindeutig in den dionysischen Bereich. So kann mit Sicherheit angenommen werden, daß der Altar ursprünglich für das Heiligtum des Dionysos Eleuthereus bestimmt und dort nicht weit von seinem jetzigen Standort aufgestellt war. Er hatte, folgt man der Inschrift, die Funktion eines Erinnerungsmales für eine von Pistokrates und Apollodoros geleitete Festprozession. Ob an diesem Altar jemals Opfer vollzogen wurden, ist nicht zu klären.
Typologisch entspricht der Altar aus dem Dionysosheiligtum anderen hellenistischen Rundaltären. In den Maßen, dem Schmuck und der Funktion unterscheidet er sich aber von der Mehrzahl. Neben einem Altar, den Eumenes II. von Pergamon noch in der ersten Hälfte des 2. Jh.v.Chr. errichten ließ, und den vielleicht erst im 1. Jh.v.Chr. entstandenen rhodischen „Nikealtären“, ist er das größte und das am reichsten wie auch qualitätvollsten verzierte Exemplar seiner Gattung. Der Altar dient nicht als Sepulkralmonument wie die Vielzahl der kleineren Rundaltäre.
Die Beliebtheit des Rundaltars im ägäischen Raum des 2. Jh.v.Chr. findet in Rom und seinen Provinzen seit dem 1. Jh.v.Chr. ein gewaltiges Echo. Der vor dem 2. Jh.v.Chr. beinahe unbekannte Rundaltar wurde, dank dieser außerordentlichen Beliebtheit, auch in der „neuattischen“ Reliefkunst und der Wandmalerei zur gängigen Formel für den Altar schlechthin.
Bis in die zweite Hälfte des 2. Jh.v.Chr. diente der Monumenttyp ausschließ-lich sakralen oder sepulkralen Zwecken, als Weihegabe an die Götter bzw. als Erinnerungsmal für einen Verstorbenen. Im letzten Viertel des 2. Jh.v.Chr. wird der mit diesbezüglichen Vorstellungen belegte Monumenttyp dann funktional frei verfügbar. Rundaltären typologisch und ausstattungsmäßig entsprechende Monumente werden u.a. als Statuen- oder Dreifußbasen, aber auch als Zisternen- bzw. Brunnenmündungen und Pflanzkübel gebraucht. Die freie Verfügbarkeit des Monumenttyps für andersartige Funktionen dürfte jedoch nicht die vollkommene Negierung seines sakralen Charakters bewirkt haben. Auch die in den Peristylen aufgestellten Zisternenmündungen werden im Zusammenwirken mit den Säulen, der Gartenskulptur, den Figuren auf den Reliefs und Oscilla sowie nicht zuletzt den Bäumen, Büschen und Rabatten beim Betrachter zumindest einen Hauch von „Sakralidylle“ evoziert haben.
Der Altar im Heiligtum des Dionysos Eleuthereus in Athen entstand in der Blütezeit der späthellenistischen Produktion von Rundaltären. Seine Größe, die Qualität der Ausführung, aber insbesondere die Inschrift machen ihn zu einem wichtigen historischen Monument.
J. Toeppfer, Attische Genealogie (1889) 206 ff.;
H. Dragendorff, Altar aus dem Dionysostheater in Athen, in: Stephaniskos, Festschrift E. Fabricius (1926) 16 ff.;
Ch. Picard, L'Acropole, Le plateau supérieur (1932) Taf. 75,2;
E. Napp, Bukranion und Guirlande (1933) 6 f.;
G. Welter, AA 1939, 36 ff., Abb. 10;
C.G. Yavis, Greek Altars (1949) Abb. 75;
H. Gabelmann, RM 75, 1968, 88 f. Anm. 16-18;
J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Athen (1971) 552, Abb. 690;
P. M. Fraser, Rhodian Funerary Monuments (1977) 113 Anm. 148V, Abb. 75(a);
D. Berges, Hellenistische Rundaltäre Kleinasiens (1986) 99 f. Anm. 345 (mit älterer Literatur)