Maßstab 1 : 20
Länge 4,09 m Breite 1,73 m Höhe 1,06 m Gewicht ca. 1,7 t
Dauerleihgabe des Metropolitan Museum of Art, New York
The Willard Collection, 1883-1891, acc. # 90.35.3
Seit Juni 2005 ist das Rekonstruktionsmodell des Parthenon aus dem Metropolitan Museum of Art in New York als Dauerleihgabe an die Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek und dem Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke in München. Diese Dauerleihgabe stellt den Höhepunkt einer über dreißigjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit dar.
Nach den erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen im Jahr 2004 zwischen Raimund Wünsche und Carlos A. Picón sowie Philippe de Montebello wurde der Transport vorbereitet. Koordiniert wurde dieser Transport von Joan R. Mertens, die auch maßgeblich an den Vorbereitungen der Verhandlungen beteiligt war, sowie von Ingeborg Kader. Der Transport per Flugzeug dauerte insgesamt, mit Ver- und Entpacken, 6 Wochen. Sowohl Transport als auch Restaurierung wurden aus Staatsmitteln und Spenden finanziert, wobei der Restaurierungprozess seit 13 Jahren anhält.
In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts gab die Willard Architectural Commission den Auftrag zur Beschaffung eines Architekturmodells des Parthenon für die New Yorker Abguß- und Modellsammlung. Wie die meisten Modelle, die aus den Mitteln des Willard Fund erworben wurden, wurde das Modell im Maßstab 1:20 bestellt. Der große Maßstab des Modells wurde auf Wunsch des Stifters Levi Hale Willard gewählt, da er festgestellt hatte, die Modelle die er bisher gesehen hatte “can only be regarded as toys”.
Weitere Anforderungen waren die Rekonstruktion des Bauwerks und seiner Bauskulptur, die Farbfassung von Architektur, Bauskulptur und des Kultbildes sowie die hypothetische Rekonstruktion der Außen- und Innenausstattung im Zustand des 5. Jhdts. v. Chr.
Die Willard Architectural Commission beauftragte wohl im Jahr 1883 das Modell bei Adolfe Jolly und dem Architekten Charles Chipiez von der Académie des Beaux Arts in Paris. Durch die Einrichtung des Grand Prix der Académie de France à Rome im Jahr 1845 war die französische Schule zu der Zeit führend in der Erforschung und vor allem der vollständigen Farbrekonstruktion antiker Bauwerke. Von 1845-1846 war der Parthenon durch Alexis Paccard und 1879-1881 von Benoit Loviot bearbeitet worden, die auch Farbrekonstruktionen vorgelegt hatten. Die Wahl fiel vermutlich auf Charles Chipiez, einem der Kenner der griechischen Architektur seiner Zeit, und er hatte 1878 eine Medaille für die ‘reconstitution des édifices antiques’ erhalten. Die Bildhauer- und Modellarbeiten wurden durch Adolfe Jolly ausgeführt. Während der Arbeiten an dem Modell wurde auch der Archäologe und Bauforscher Georges Perrot hinzugezogen.
Mit der Fertigstellung um das Jahr 1889 war es das umfassendste Rekonstruktionsmodell des Parthenon seiner Zeit. Die Erwerbungsnummer acc. # 90.35.3 deutet darauf, daß das Modell 1890 in New York eingetroffen war. Bevor das Modell nach New York verbracht wurde, war es vermutlich auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1889 ausgestellt worden.
Die Rekonstruktion der Architektur des Parthenon beruht auf den archäologischen Befunden der Zeit. Für die hypäthrale Dachkonstruktion richtete man sich nach der Studie von Charles Chipiez des Jahres 1878 in der Revue Archeologique. Zur weiteren Rekonstruktion wurden verschiedene Quellen herangezogen. Die Giebelskulpturen beruhen unter anderem auf Zeichnungen, des Zeichners Carrey des Jahres 1674, sowie der Darstellung eines Puteals in Madrid. Für das Kultbild wurden die Athena Lemnia des Phidias und die Farbrekonstruktion von Charles Simart herangezogen. Die im Jahr 1880 gefunden Varvakion-Statuette, eine verkleinerte Kopie der Athena Parthenos, wurde nicht berücksichtigt.
Für die Farbfassung orientierte man sich maßgeblich an den Rekonstruktionen von Alexis Paccard. Außen hatten sich archäologisch nur Farben an den Simen nachweisen lassen, für den Innenraum ist die rote Farbe auf den Cellawänden jedoch belegt. Für die Innenausstattung stützte man sich auf das damalige Hauptwerk zu den historischen, epigraphischen und archäologischen Hinterlassenschaften des Parthenon von Adolf Michaelis. Der Vorhang hinter dem Kultbild und der begehbare Umgang im Obergeschoß orientieren sich an den Überlieferungen von Pausanias.
In seiner über einhundertjährigen Geschichte wurden einige Veränderungen an dem Modell vorgenommen. Es sind nach Untersuchen während der Restaurierungsarbeiten verschiedene Farbfassungen an den Außenseiten herausgearbeitet worden. Im Jahr 1946 wurden unter Aufsicht von Gisela Richter umfangreiche Umbauten an dem Modell vorgenommen, um es auf einen der Forschung gemäßen Stand zu bringen. So wurden die Ost- und Westmetopen ausgetauscht, da man lange Zeit den Zugang zum Tempel auf der Westseite vermutet hatte. Es wurden auch die Schilde und Inschriften auf der Ostfassade entfernt, da sie nicht zur ursprünglichen Ausstattung des Tempels gehörten. Die hypäthrale Lösung des Daches Chipiez wurde durch eine Satteldachlösung ersetzt.
Mit dem Transport nach München wurden die daraus folgenden Transportschäden behoben und die Bauteile zur weiteren Restaurierung gesichert. Weitere Umbauten waren die Installation einer neuen Beleuchtung im Innenraum des Modells. Die hypäthrale Lösung die während der Umbauten von 1946 geschlossen worden war, ist wieder zugänglich gemacht worden. Es wurde auch die Farbfassung der Kassettendecken des Umgangs restauriert und begonnen, die tiefer liegenden Farbschichten der Westfassade freizulegen.
Das New Yorker Modell ist bis heute die umfassendste Rekonstruktion geblieben. Es zeigt gleichwohl keine Rekonstruktion, die dem Forschungsstand von heute entspricht. Sie stellt vielmehr eine Vorstellung, eine Idee des Parthenons aus den Kenntnissen und dem Wissen des 19. Jahrhunderts dar. Von wissenschaftlichen Interesse ist es vorrangig für die Forschungs- und Wissenschaftsgeschichte der Archäologie, sowie ein hervorragendes Zeitzeugnis für die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur der Antike im 19. Jahrhundert.